3. Baustein: Handlungs- und Interventionskonzept in der Pflegekinderhilfe

In Anlehnung an die Leitlinien des Runden Tisches sexueller Kindesmissbrauch (RTSKM) (2011) gilt es, im Zuge eines Schutzkonzeptes in der Infrastruktur der Pflegekinderhilfe ein Handlungs- und Interventionskonzept für den Fall von (sexualisierten) Übergriffen, Verdachtsfällen und massiven Krisensituationen vorzuhalten. Dieses Handlungs- und Interventionskonzept bezieht sich auf die gesamte Infrastruktur der Pflegekinderhilfe. Es dient dazu, auf einen Verfahrensplan zurückgreifen zu können, um für den Fall von z.B. (sexualisierten) Übergriffen, Verdachtsfällen und massiven Krisensituationen oder die Verletzung der höchstpersönlichen Rechte, reagieren zu können, da Organisationen in diesen konkreten Situationen nicht erst einen Verfahrensplan entwerfen können.

 

3.1 Erarbeitung des Verfahrensplans

Um einem überstürzten und unkoordinierten Verhalten entgegenzuwirken, nötige Orientierung und (Handlungs-)Sicherheit zu geben, bedarf es eines Verfahrensplans. Das Jugendamt trägt die Verantwortung für die Erarbeitung, kontinuierliche Weiterentwicklung und Implementierung dieses Plans. Er schafft einen entsprechenden Handlungsrahmen und berücksichtigt folgende Qualitätsmerkmale:

  • Dokumentation: Alle Informationen zu einem Verdacht werden möglichst genau dokumentiert.
  • Flexibilität: Auf individuelle Lebensumstände und Bedarfe wird flexibel reagiert.
  • Rollenklarheit: Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind klar verteilt. Niemand wird allein mit einer Aufgabe betraut: Durchgängig wird ein „4-Augen-Prinzip“ sichergestellt.
  • Partizipation: In die Konzeption und Implementierung werden die Perspektiven von Betroffenen und weiteren Beteiligten der Infrastruktur Pflegekinderhilfe einbezogen.

 

3.2 Bereitstellung eines Verfahrensplans für akute Krisen und verdachtsfälle

Im Verfahrensplan werden unterschiedliche Situationen (Krisen, sogenannte „schwache Signale“ sowie Verdachtsfälle) in der Infrastruktur der Pflegekinderhilfe berücksichtigt, um der großen Unterschiedlichkeit von möglichen Fällen gerecht zu werden. Für diese unterschiedlichen Situationen gilt es zusammen mit den etablierten Maßnahmen des Kinderschutzes, Handlungs- und Interventionsmaßnahmen auf drei Ebenen zu entwickeln:

  • Wahrnehmung und Abklärung: Schwache oder starke Signale bzgl. einer Grenzverletzung oder einer Verletzung der höchstpersönlichen Rechte von jungen Menschen werden wahrgenommen. Mögliche akute Weitergefährdungen werden erkannt und verhindert, einem Verdacht wird nachgegangen, er wird eingeordnet und abgeklärt.
  • Intervention: Wenn starke Signale in Disclosure-Situationen wahrgenommen werden (d.h. wenn sich Betroffene anvertrauen) oder wenn sich Verdachtsfälle erhärten, gilt das Prinzip: „weiter hinschauen“. Ein direktes Eingreifen ist selbstverständlich, um Grenzverletzung zu beenden.
  • Fallanalyse: Ursachen der Situation werden im Hinblick auf die beteiligten Personen, die internen Verfahren sowie vorliegenden Informationen geklärt und dies wird in einen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang gebracht. Ziel der internen Fallanalyse ist es, abgeleitete Erkenntnisse wieder in Prävention und das Handlungs- und Interventionskonzept einfließen zu lassen sowie eine Perspektive für eine langfristige Aufarbeitung zu erarbeiten.

3.3 Einlösung des Rechts auf individuelle Verfahrensbegleitung in dem Verfahrensplan sowie auf besonderen schutz

Die persönlichen Rechte von Betroffenen zu schützen und zu stärken stehen bei einem Verfahrensplan bei allen Schritten an vorderster Stelle.

  • Verfahrensbegleitung: Betroffene haben das Recht auf einen Verfahrensplan, auf eine finanzierte, individuelle Verfahrensbegleitung und auf besonderen Schutz.

Insgesamt müssen auch mögliche Konstellationen in den Lebenswelten der jungen Menschen beachtet werden, in denen ihre persönlichen Rechte verletzt werden können.